Category Archives: Kiel & Umgebung

Ostsee-Schweinswale

Gastbeitrag von Johanna (FÖJ Meeresschutz)

Wusstest du, dass sogar in der Ostsee Wale leben? Erstaunt? Aber ja, das Meer vor der schleswig-holsteinischen Haustür ist Lebensraum für eine Walart, die hier heimisch ist. Insgesamt gibt es auf der Welt sieben verschiedene Schweinswalarten, die in der Ostsee lebenden Tiere gehören zum „Gewöhnlichen Schweinswal“ (Phocoena phocoena). Allerdings werden sie in zwei Populationen unterteilt. Eine davon lebt in der Beltsee (westlich von Rügen bis in das Kattegat) und eine in der zentralen Ostsee (östlich Rügens). Durch uns Menschen werden die Bestände jedoch immer kleiner. Die Population in der zentralen Ostsee besteht nur noch aus 300 bis 500 Individuen, und steht somit bereits auf der roten Liste der bedrohten Tierarten.

Doch warum eigentlich?
In der Ostsee stammen mehr als die Hälfte der tot gefundenen Schweinswale aus Beifängen der Fischerei. Vor allem Stellnetze sind eine große Gefahr. Da die Tiere die dünnen Nylonfäden der Netze nicht mit ihrem Sonar orten können, schwimmen sie ahnungslos hinein, verfangen sich und ertrinken. Obwohl es in der Ostsee Meeresschutzgebiete gibt, ist das Fischen mit Stellnetzen auch in diesen Gebieten nicht ausdrücklich verboten. Dadurch haben die Tiere kaum eine Chance, ihnen zu entkommen. 

Umso schlimmer, dass jährlich 5.000 bis 10.000 Netzteile in der Ostsee verloren gehen, darunter auch Stellnetze. Da sich an ihrer Oberseite eine Schwimmleine befindet, können sie sich immer wieder von selbst aufstellen. Dadurch fischen sie ununterbrochen weiter und gefährden das Leben tausender Seevögel, Fische und Meeressäuger. Diese sogenannten „Geisternetze“ sind außerdem ein riesiges Plastikmüllproblem. Sie machen bis zu 50% des weltweiten Plastikmülls in den Meeren aus. Hinzu kommt, dass Stellnetze an ihrer Unterseite mit Bleikügelchen beschwert sind. Diese sind zwar mit einer Plastikschicht umhüllt, aber nach einiger Zeit ist diese abgescheuert und die Bleikügelchen gelangen als Umweltgift in die Umwelt. Dort werden sie dann von Tieren gefressen oder an den Strand gespült, wo sie auch für Kinder eine Gefahr darstellen.

Auch Unterwasserlärm ist eine große Gefahr für Schweinswale. Dieser entsteht zum Beispiel bei dem Bau von Offshore-Windkraftanlagen, da hierbei meterdicke Pfeiler durch mehrere tausende Schläge in den Meeresboden gerammt werden. Der immer weiter steigende Schiffsverkehr verschmutzt die Meere ebenfalls mit Lärm. Je größer und schneller das Schiff, desto größer auch der Lärm. Problematisch sind also die riesigen Frachtschiffe aber auch Kreuzfahrtschiffe und Speedboottouren, die ohnehin nur zur Tourist*innenbespaßung dienen. Auch bei seismischen Untersuchungen auf der Suche nach Öl- oder Gasvorkommen, bei dem Einsatz von Sonaren des Militärs oder bei Sprengungen alter Munition in der Ostsee entstehen starke Schallwellen, die für die Tiere etwa viermal so laut sein können wie für uns eine einzige Kreissäge. Mit dem Unterschied, dass wir uns die Ohren zuhalten oder weglaufen können. Wale sind diesem extremen Lärm schutzlos ausgeliefert. Dadurch können sie ihr Gehör verlieren und taub werden. Das bedeutet für sie ein Todesurteil, da sie ihr Gehör für ihr Sonar und somit zur Orientierung und Nahrungssuche brauchen. Häufig ist der Lärm sogar so laut, dass sie Verletzungen erleiden, wie Blutungen im Innenohr und im Hirnbereich oder Verletzungen der Organe.

Um das Aussterben der Ostsee-Schweinwale langfristig verhindern zu können, muss sich etwas ändern. Es muss nach Alternativen und nachhaltigeren Fangmethoden in der Fischerei geforscht werdenIn den Meeren braucht es „No-take-Areas“, in denen weder Öl oder Gas, noch Fische oder andere Lebewesen entnommen werden dürfen. Bei dem Bau von Offshore-Anlagen können Blasenschleier, die um die Baustelle gelegt werden, für eine Reduktion des Lärms von etwa 95% sorgen. Höchstgeschwindigkeiten im Schiffsverkehr könnten helfen, den Schiffslärm in den Meeren zu senken, da schon eine Reduzierung der Geschwindigkeit um 10% den Lärm um ganze 40% reduzieren würde. Kurz gesagt: Es braucht härtere Regelungen und auch Verbote von der Politik. Aber auch jeder andere Mensch kann im Alltag etwas ändern, um den Meerestieren zu helfen. Beispielsweise beim Verzicht auf eine Kreuzfahrt oder bei der Reduzierung des eigenen Fischkonsums. Denn das Meer ist der Lebensraum für zahlreiche Lebewesen, es ist ihr Zuhause und nicht unseres, wir müssen auf diese Tiere Rücksicht zu nehmen. Denn nur, weil wir sie kaum zu Gesicht bekommen, dürfen wir uns nicht so verhalten, als wären sie gar nicht da.

 

Am 16. Mai veranstaltet Johanna einen Infotag mit verschiedensten Mitmachaktionen zum Thema Schweinswale. Hier geht´s zu allen Details! 

Titelbild: Ecomare/Sytske Dijksen

Von einem, der den Plan falsch interpretierte

Wind ist bei uns im Norden nichts Ungewöhnliches. Genauso wenig ungewöhnlich ist, dass der Wind ab und an ein paar Bäume umknickt oder entwurzelt. Das ist völlig normal und gehört zum natürlichen Zyklus. Seltsam wird es dann, wenn Bagger ungefragt die Aufgabe des Windes übernehmen, so geschehen im Prüner Schlag in Kiel.

Das ehemalige Kleingartengebiet ist inzwischen vermutlich nicht nur Kieler*innen, sondern einem Großteil der Menschen in Schleswig-Holstein ein Begriff. Aber leider nicht, weil es an diesem Ort eine grüne Oase gab, in der Mensch und Natur zur Ruhe kommen können, in der für den Eigenbedarf Obst und Gemüse angebaut wird und die ganz nebenbei einen wichtigen Beitrag zum Klima der Stadt beiträgt. Seit Jahren ist dort eher das Gegenteil der Fall. Die Krieger-Gruppe, der sowohl Möbel Kraft,  als auch Möbel Höffner und der Einrichtungs-Discounter Sconto angehören, plant auf dem Gelände den Neubau eines Möbelhauses. Ein absolut absurdes Vorhaben, wenn man sich die Lage der Fläche, deren Nähe zu anderen Möbelhäusern in Kiel und vor allem den eigentlichen Wert der Grünflächen für die Kieler*innen anschaut. Bevor wir zu dem eigentlichen Anlass dieses Artikels kommen, ein kurzer Blick in die Vergangenheit:

Im März 2012 wird ein Kaufvertrag zwischen der Stadt Kiel und der Krieger Gruppe unterzeichnet, damit regt sich auch erheblicher Wiederstand in der Kieler Bevölkerung. Im August 2013 startet dann ein Bürger*innenbegehren, um die Bebauung der Fläche zu verhindern. Auf welcher Seite die Stadt Kiel steht, ist allerspätestens mit der Veröffentlichung der Kampagne zur Abstimmung klar. Auf den Plakaten heißt es „246.000 m2  Grünflächen für Kiel und 68 geschützte Arten. Grüner Daumen hoch!“. Weiter wird dann gebeten: „Das finden Sie gut? Dann stimmen Sie am 23. März mit Nein. Denn nur ein Nein beim Bürgerentscheid ist ein Ja für Möbel Kraft.“ Ob diese Kampagne aus Steuergeldern finanziert wurde? Natürlich. Und ob die Stadt Kiel hiermit beweist, dass sie ein absoluter Profi in Sachen Greenwashing ist? Absolut. Ob es nun an der Beeinflussung der Stadt oder der mehr als verwirrenden Fragestellung lag, am Ende fiel der Bürger*innenentscheid knapp für den Bau von Möbel Kraft aus. Wohl um die eigene Entschlossenheit zu untermauern beginnt die Krieger Gruppe schon vor Ende der Abstimmung mit dem Abriss der Parzellen. Und dann, nachdem es auch durch die Hand der Bevölkerung das Go für den Bau gab passierte erstmal …… nichts. Dieses Nichts zog sich so lange hin, dass schließlich auch die Stadt unruhig wurde und dem Unternehmen ein Ultimatum stellte. Nachdem so erfolgreich für den Bau geworben wurde entstand hier wohl die Angst, dass die ganzen Mühen umsonst gewesen sein könnten. 2018 überlegte sich das Unternehmen dann, doch nicht Möbel Kraft, sondern Möbel Höffner auf das Gelände zu setzen. Aber gleich bleibt: Der Prüner Schlag verliert seine wichtige Funktion für Natur und Stadt.  

Nun ist noch ein bisschen Zeit vergangen und die Baufläche sieht nun auch so aus, als würde etwas passieren. Es hätte so schön werden können für Möbel Höffner, wären da nicht die Ausgleichsflächen gewesen. Rund 6,3 Hektar sollen die Versiegelung und Nutzung der ganzen Baufläche wiedergutmachen, den 68 Arten weiterhin Lebensraum bieten. Durchaus eine sinnvolle Idee, nicht den kompletten Prüner Schlag mit Beton zu versehen. Die Idee hätte auch wunderbar umgesetzt werden können. Hätte. Wäre da nicht ein einziger Baggerfahrer gewesen, der den Plan nicht richtig gelesen und leider nicht nur auf der Bau- sondern auch auf der Ausgleichsfläche fröhlich vor sich hin baggerte. Die Schuld auf einen einzelnen Baggerfahrer zu schieben, ist auf jeden Fall ein netter Versuch, nur leider ziemlich unglaubwürdig angesichts der Videoquellen, die mehrere Bagger auf den Ausgleichsflächen zeigen. Auf der eigentlich geschützten Fläche wurden unter anderem Staudenbereiche entfernt (Tschüss Insektenfreundlichkeit), Gehölze und geschützte Bäume beseitigt und weitere Baumkronen beschädigt. Ich kann natürlich nur für mich persönlich sprechen, aber meine Definition von Naturschutz sieht ein kleines bisschen anders aus.

Für Edda Metz, Geschäftsführerin von Möbel Höffner, scheint diese Situation aber nicht so schlimm zu sein, denn „wo gearbeitet wird, passieren auch Fehler. Das ist nur menschlich.“ Klar, natürlich sind Fehler menschlich, aber was auch menschlich wäre, wäre eine Aufsicht auf einer Baustelle diesen Ausmaßes, die dafür sorgt, dass Fehler nicht passieren, nur weil jemand den Plan ein bisschen anders interpretiert hat. Manchmal soll Kommunikation ja angeblich helfen, um Fehlern vorzubeugen. Aber vielleicht war die verantwortliche Person auch einfach gerade in der Kaffeepause. Macht ja nix, passiert. So schlimm ist die Zerstörung von Natur ja auch nicht, denn laut Edda Metz soll alles korrigiert werden, und zwar so, dass es im April wieder hergestellt sei. Klar, jahrzehntealte Bäume kann man ja bekanntlich wunderbar im Internet bestellen. Wenn es sein muss, per Expressversand. Dass diese dann erst ein bisschen später eingepflanzt werden, liegt natürlich am Bodenfrost. Sollte das Unternehmen es also trotz erschwerten Bedingungen durch das Wetter schaffen, den gesamten Schaden bis April wieder herzustellen, wäre das wohl DIE Sensation und vermutlich seit langem auch die erste positive Schlagzeile zum Bau. Eine kleine Geschäftsidee, Frau Metz: Wie wäre es mit einem Möbel Höffner-Gartencenter, in dem sie ihre schnellwachsenden Bäume dann für ordentlich Geld unter die Leute bringen könnten? Ich bin mir sicher, das wäre ein größerer Verkaufsschlager als jedes Designersofa.

Mit diesem Modell wären dann bestimmt auch die maximal 50.000 Euro Bußgeld, die Möbel Höffner von der Stadt Kiel angekündigt bekommen hat, schnell wieder in der Kasse. Wobei, bei rund 2,3 Milliarden Euro Jahresumsatz ist diese Summer für das Unternehmen wohl sowieso wenig schmerzhaft. Das Bußgeld hat wohl eher einen öffentlichkeitswirksamen Hintergrund. Wäre doch schade, wenn die Stadt Kiel ihr fantastisches Image als Klimaschutzstadt und Trägerin des Nachhaltigkeitspreises wieder verliert, oder?

Quelle Titelbild: Projekt Prüner Park

Petition zum Schutz des Prüner Schlags
Unterstütz hier gerne, damit bis zu Stimmenübergabe die 15.000 Stimmen erreicht werden können! 

Projekt Prüner Park
Hier findet ihr noch mehr Fotos und Infos aus dem Prüner Schlag. Vorbeischauen lohnt sich!

 

Wer braucht schon Wälder und warum stehen diese Bäume eigentlich den Autos im Weg?

Wie wichtig unsere Wälder im Kampf gegen die Klimakrise sind, ist mittlerweile den meisten Bürger*innen bekannt. Doch an einer Gruppe entscheidender Akteur*innen ist dieses Wissen offensichtlich vorbeigegangen: Den Politiker*innen des Deutschen Bundestages und der Länderregierungen.

Wälder sind für unser Leben auf diesem Planeten unersetzlich, sind es immer gewesen und werden es immer sein. Als Sauerstoffproduzenten schaffen sie eine Grundlage, die für uns Menschen zum Überleben unabdingbar ist. Aber nicht nur das: Wälder sind auch im Hinblick auf die Klimakrise und deren Bekämpfung von enormer Bedeutung. Zum einen speichern sie Kohlenstoff – und das in enormen Mengen: Obwohl sie nur ungefähr 30% der Landoberfläche einnehmen, speichern sie mehr als die Hälfte des Kohlenstoffes, der auf der Erde gebunden ist. Zum anderen herrscht innerhalb der dichten Kronendächer der Wälder eine niedrigere Durchschnittstemperatur, wovon auch umliegende Gebiete profitieren.

Nun klingt es vermutlich logisch, dass der Waldbestand unbedingt erhalten und wenn möglich erweitert werden muss, um so noch effektiver gegen den Klimawandel vorzugehen. Doch diese Logik scheint in bestimmten Menschengruppen nicht verstanden zu werden.

In Deutschland bedecken Wälder rund 32% der Fläche. Im Vergleich mit den anderen europäischen Staaten liegen wir also nur auf Platz 23. Schauen wir uns nun die einzelnen Bundesländer an, liegen Hessen und Rheinland-Pfalz mit jeweils 42,3% Waldfläche an der Spitze. Schleswig-Holstein stellt mit seinen 11% das einsame Schlusslicht unter den Flächenländern dar.

Die einfachste und sinnvollste Konsequenz aus diesen Zahlen wäre nun, den Waldbestand zu schützen und Aufforstung mit Buchenmischwäldern stärker zu fördern. Leider scheint das in Berlin und den Landesregierungen wenig Priorität zu haben. Frei nach dem Motto „Wer braucht schon Wälder, wir können schließlich Straßen bauen“, wurden und werden größere Waldflächen für den Ausbau des Straßennetzes gerodet.

Verkehrsprojekte, die bereits seit über 40 Jahren geplant sind, werden nicht etwa auf ihre aktuelle Notwendigkeit geprüft, sondern ohne jegliche Überlegungen durchgesetzt – zur Not mit Polizeischutz.

Was für einige nach überspitzten Geschichten klingen mag, passiert aktuell im hessischen Dannenröder Forst. Für den Ausbau der A49 soll das aktuell 85 Hektar große Waldstück um 27 Hektar dezimiert werden. Für drei Kilometer Autobahn. Offenbar ganz im Sinne der schwarz-grünen Landesregierung Hessens, die sich in ihrem Koalitionsvertrag für das Projekt ausspricht. Die Regierungsparteien versuchen zwar, der Bundesregierung als Auftraggeberin den schwarzen Peter zuzuschieben, doch auch als Partei auf Landesebene sollte man sich seiner Verantwortung gegenüber den Wähler*innen bewusst sein. Was noch absurder ist als die positive Reaktion der Regierungspartein, ist die Tatsache, dass die Planung des Projektes bereits seit mehreren Jahrzehnten in Gange und schon seit 2012 Teil des Planfeststellungsbescheides ist. Dass sich die Dringlichkeit von Lösungsansätzen in Bezug auf die Klimakrise in diesem Zeitraum deutlich verändert hat, scheint nicht von Interesse zu sein. Was einmal beschlossen wurde, wird auch gebaut, ungeachtet der aktuellen Situation und Entwicklungen.

Das bedrohte Waldstück ist mehr als 250 Jahre alt und trägt somit seit langer Zeit einen wichtigen Teil zur CO2-Kompensation bei. Doch nicht nur diese Funktion ist durch den Autobahnbau gefährdet. Unterhalb des Waldes befindet sich ein Grundwasserkörper, der als Wasserreservoir für das gesamte Rhein-Main-Gebiet gilt. Hier stellt sich nun die Frage, inwiefern es gerechtfertigt ist, über diesen eine Autobahn zu bauen. Laut der EU-Wasserrahmrichtlinie ist es das nicht. Das stellte auch das Bundesverwaltungsgericht fest und kam zu dem Schluss, dass ein solches Vorhaben, würde es heute beantragt werden, so nicht mehr verabschiedet werden würde. Blöd nur, dass der Bauantrag bereits vor einiger Zeit gestellt wurde. Umdenken ist hier natürlich keine Option.

Aufgrund dieser Entwicklungen protestieren seit nun knapp einem Jahr Aktivist*innen gegen die Teilrodung des Dannenröder Forstes. Ungeachtet der Proteste begannen am 01. Oktober diesen Jahres die ersten Fällarbeiten – unter Polizeischutz und Ausschluss von Pressevertreter*innen. Um den Zugang zum Wald zu erschweren, sperrte die Polizei Teile des Umlandes ab. Traurig, dass der Schutz der Fällarbeiten hier offenbar deutlich wichtiger ist und deutlich mehr behördliche Kräfte in Bewegung setzen kann, als der Wald selbst.

Ähnliche Projekte gibt es auch in anderen Teilen Deutschlands, zum Beispiel die geplante Südspange in Schleswig-Holstein. In Kiel soll die B404 zur A21 ausgebaut werden, wobei in Kauf genommen wird, dass der enorm wichtige Grüngürtel im Süden der Stadt massiv eingeschnitten wird. Diese Projekte zeigen deutlich auf, wie absurd die deutschen Politiker*innen auf Forderungen nach einem stärkeren Klimaschutz reagieren. Anstatt die Stimmen von Bürger*innen, die nach den Lockdown-bedingten Onlineprotesten nun auch auf der Straße wieder laut werden, zu beachten, hält die Politik an der Stärkung der Wirtschaft fest – zur Not eben auch auf Kosten des Klimaschutzes. In unserer aktuellen Situation, die deutlich von den wachsenden Bedrohungen durch den Klimawandel geprägt ist, neue Straßen bauen zu wollen ist in etwa so, wie Holz in ein brennendes Haus zu werfen und abzuwarten, ob es sich nicht von allein löscht.

Wenn die Gelder, die momentan für Straßenausbauprojekte eingeplant sind, zum Beispiel in die Förderung des Öffentlichen Personennahverkehrs fließen würden, könnte dessen Infrastruktur deutlich schneller ausgebaut werden, sodass der Individualverkehr stärker zurückgehen würde. Auch Transportfahrten könnten auf die Schiene verlegt werden, um den CO2-Ausstoß des Verkehrs zu senken. Auch wenn dieser natürlich nicht allein für die Nichteinhaltung der Klimaziele verantwortlich ist, könnte Deutschland so zumindest ein bisschen näher an die Ziele des Pariser Abkommens heranrücken.

Weiterführende Informationen zu den Protesten gegen die A49 und die A21:

Dannenröder Forst: https://www.stopp-a49-verkehrswende-jetzt.de/
Südspange Kiel: https://www.bielenbergkoppel.de/

Autowahnsinn in Kiel

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/3/3c/A1_-_Kreuz_Bargteheide_%2827%29_%281000m%29_-_geo-en.hlipp.de_-_7368.jpg

Der BUND Garten ist ein malerisches Stück Stadtnatur zwischen Theodor-Heuss-Ring und den Bahnschienen. Einige Mitglieder*innen von BUND und BUNDjugend pflegen und bewirtschaften Teile des Gartens, der Rest wird der Natur überlassen und verwildert langsam. Zwei Bienenvölker, Insektenhotels und ein paar Hühner runden das Naturerlebnis ab. Der Garten liegt in Gaarden-Süd neben der Zugstrecke nach Hamburg und ist von ebenso wertvoller Natur umgeben, wie der Garten selbst.

Doch die Idylle ist bedroht: Der Ausbau von Bundesstraßen und der Neubau einer Autobahn soll über dieses Gebiet erfolgen. Schnell, nachdem die Pläne bekannt wurden, gründete sich ein Bündnis: „Vorfahrt für den Kieler Klimagürtel“. Das Bündnis, bestehend aus Umwelt- und Naturschutzverbänden, wie dem BUND und dem NABU, sowie Aktionsbündnissen, wie „Fridays for Future“ fordert:

  • Vollständiger Erhalt des Grüngürtels!
  • Kein Autobahnbau über Kiel-Wellsee hinaus!
  • Kein Autobahnkreuz am Vieburger Gehölz!
  • Kein Straßenbau auf dem Eidertal-Wanderweg!
  • Keine Südspange!

Doch was macht eine Grünfläche zum Klimagürtel für eine Stadt? Die Positionen und Recherchen des Bündnisses machen das deutlich:

  • „In Zeiten des Klimawandels und steigender Temperaturen ist der Kieler Grüngürtel wichtiger denn je als „Klimagürtel“, der für saubere Luft und im Sommer für erträgliche Temperaturen sorgt.“
  • „Wer Straßen sät, erntet Verkehr: Sowohl die Autobahn, als auch die Südspange sind keine Lösung für Kieler Verkehrsprobleme – Im Gegenteil. Laut Gutachten würde es noch mehr Autoverkehr, dicke Luft und Lärm in Kiel geben“

Mit der Durchsetzung dieses Bauvorhabens würde sich die Stadt Kiel beim Erreichen ihrer Klimaziele zum wiederholten Male ins Abseits stellen. Wieder ein Beispiel der unglaublichen Doppelmoral der Landeshauptstadt. Die Stadt stellt sich als Vorreiterin im Klimaschutz dar und hat im Jahr 2019 sogar den Klimanotstand ausgerufen, dennoch werden Bauvorhaben, wie der Ausbau des Ostseeterminals, geplant und realisiert. Für die Verkehrswende wird im Vergleich dazu wenig Geld ausgegeben. Wir brauchen keine neuen Autobahnen und Bundesstraßen in unmittelbarer Innenstadt-Nähe! Stattdessen muss in den Nah-, Fern- sowie Güterverkehr investiert werden und Autofahren sollte in der Stadt gegenüber dem Fahrrad unattraktiv werden.

Doch nicht nur klima- und umwelttechnisch wäre das Bauvorhaben ein Desaster. Auch die „Alte Meierei“ sieht sich mit den Bauvorhaben in ihrer Existenz bedroht. Die Meierei ist etablierte Kieler Kultur. Ein Ort, an dem Musikveranstaltungen stattfinden und Subkulturen zusammen kommen. Das kommunale Bauvorhaben keine Rücksicht auf solche Hausprojekte nehmen, ist bereits aus anderen Städten bekannt und leider auch, dass Ausgleich und Alternativen zu wünschen übrig lassen.

Das Bündnis, das sich für den Erhalt des Kieler-Klimagürtels einsetzt und in dem auch der BUND organisiert ist, wird auch zukünftig diesem Bauvorhaben entschieden widersprechen sowie die Bürger*innen über die Notwendigkeit des Klimagürtels aufklären. Falls es zu einer Realisierung der Pläne kommen sollte, werden sich Bürger*innen aus Kiel auflehnen und kraftvollen Protest für das Klima und den Stopp der Bauvorhaben des Autobahnkreuzes Karlsburg/Südspange auf die Straße tragen. Jede Kommune trägt Verantwortung bei der Mobilitätswende. Die Stadt Kiel nimmt diese Aufgabe trotzdem nicht ernst genug.

Ein besetzter Acker in Hessen zeigt, dass es möglich ist, effektiv und langfristig gegen sinnlose und klimaschädliche Bauvorhaben zu demonstrieren.
http://greifswa.sabic.uberspace.de/grav-admin/de

Gedanken zu Corona in Kiel und der Welt

Wir lernen mit dem Virus

Nehmen wir an, aufgrund der aktuellen Lage würden dieses Jahr keine Kreuzfahrtschiffe in Kiel festmachen. Was würde das bedeuten, für die Förde, die Menschen in der Stadt Kiel und das Klima in Schleswig-Holstein?

Fakt ist, dass sich unsere Gesellschaft gerade fragt, was die letzten Jahre schiefgelaufen ist. Wenn wir jetzt auf einmal sehen, dass es auf der ganzen Welt möglich ist, Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Dass sich Ökosysteme, wenn wir Eingriffe in die Natur, die für uns so gewöhnlich wirken, dass wir sie gar nicht mehr mitbekommen, einstellen, auch in kurzer Zeit erholen können. Merken wir erst jetzt, nach Vorsorgemaßnahmen gegen das Corona-Virus, wie viel Raum die Menschheit der Natur abtrotzt!?

Die Doppelmoral der Klimaschutzstadt

Das gilt genauso hier in Kiel. Kiel ist nicht nur eine autofreundliche Stadt, hier legen im Sommer zudem täglich mehrere Kreuzfahrtschiffe an. Die Kreuzfahrt ist die wohl klimaschädlichste Art des Tourismus – das ist sicherlich vielen bekannt. Dass Kiel ein Feinstaubproblem hat, neue Kreuzfahrtterminals baut und sich trotzdem als Klimaschutzstadt bezeichnet, vielleicht nicht. Meiner Meinung nach total wiedersprüchlich.Kiel stellt zwar am Ostseekai Landstromanlagen bereit, doch zu wenige Schiffe sind mit der entsprechenden Technik ausgerüstet, um diese Anlagen auch nutzen zu können. Das heißt, die Motoren laufen die ganze Zeit während das Schiff im Hafen liegt.

Die aktuelle Lage lässt vermuten, dass dieses Jahr in Kiel die Kreuzfahrtsaison aufgrund des Virus ausfällt. Auf den Schiffen leben viele Menschen auf engstem Raum, so sind noch lange Einschränkungen für die Branche zu erwarten. Ist das der Fall würde die Stadt Kiel in den Sommermonaten einen deutlichen Rückgang der Feinstaubbelastung vermerken. Hat dieses Jahr folgen negative Folgen für die Branche, würde die Stadt überdenken neue Hotels für die ausbleibenden Zehntausenden Kreuzfahrer*innen zu bauen. Vielleicht richtet die Stadt den Blick nach innen und sieht die akute Wohnungsnot, die vielen Obdachlosen, den schlechten ÖPNV, die Berge voller Zumutungen und handelt mehr für ihre Bürgerinnen und nicht für Image und Touristen.

Durst nach Veränderung

Dass Corona an manchen Stellen einen positiven Einfluss auf das Klima hat, ist aber kein Grund zum Feiern. Sich über eine Pandemie, an der Zehntausende sterben, zu freuen, ist für mich unvorstellbar und absolut falsch. Was mich in diesen Tagen aber besonders beschäftigt, ist die Arbeit der Politik. Kaum zu glauben, die Corona-Krise mobilisiert die Politik zu zeigen, dass sie doch handlungsfähig ist. Das hat die Klimakrise nicht geschafft. Auch wenn wir erwarten können, dass die Verfehlung der Klimaziele die Menschheit, den Planeten und all seine Ökosysteme viel mehr an den Rand der Existenz drängen wird. In einem Maß, das wir vorher noch nicht erfahren haben. Wir müssen jetzt handeln! Klar liegt viel Verantwortung bei der Politik. Doch was haben wir davon, wenn, wie in den letzten Jahren, nichts passiert?

Wir können die Politiker*innen, Wirtschaftslobbyist*innen und andere Entscheidungsträger*innen anprangern und verurteilen, dass sie nichts getan haben. Das wird aber nichts an den Umständen, die uns umgeben, ändern. Es ist Zeit, selber Verantwortung für diese Gesellschaft zu übernehmen. An dieser Stelle müssen wir aufhören zu sagen: „Aber ich als einzelner Mensch kann doch nichts verändern.“ – Stimmt! Doch wer sagt, dass irgendjemand allein steht? Wir arbeiten doch an den gleichen Problemen und jeglicher Fortschritt beruht doch auf der Zusammenarbeit und Kooperation von vielen Individuen. Im Kapitalismus kämpft jede*r für sich allein und wir zermürben an Konkurrenz und Ausbeutung. Lasst uns anfangen, uns selbst als Teil eines großen Prozesses zu sehen. Ab diesem Punkt sind wir nicht mehr auf uns allein gestellt, wir können gemeinsam demonstrieren, bewegen und unsere gesellschaftliche und ökologische Verantwortung wahrnehmen. Jeder für sich, doch auch alle zusammen. Corona zeigt, dass wir es können, in vielen Städten ist die Hilfsbereitschaft für Menschen in akuter Not, wie zum Beispiel Obdachlosen, sehr gestiegen. Uns fällt auf wie wichtig die Kassierer*innen, Krankenpfleger*innen, usw. sind und wir sehen die Natur und Umwelt mit anderen Augen. Wir sehen was möglich ist und was noch getan werden muss.

 

Für mich sind Utopien nicht da, um nur in den Köpfen der Menschen, zu existieren, sie müssen gemeinsam erkämpft werden!

Deutsche klimavergehen rund um die Welt

Nichts hören, nichts sehen…

Waldbrände seit über vier Monaten, eine verbrannte Fläche in der Größe von Bayern und Baden-Württemberg. Australien ist zwar an Naturgewalten gewöhnt, jedoch lässt sich die schwere der Ereignisse in den letzten Jahren mit hoher Wahrscheinlichkeit auf den Klimawandel zurückführen. Trotzdem behauptet der australische Premier: „Wir werden uns nicht auf unbesonnene Ziele einlassen und traditionelle Industrien aufgeben, wodurch australische Arbeitsplätze gefährdet würden, obwohl sie keinen bedeutsamen Einfluss auf das globale Klima haben“ (Scott Morrison Premierminister von Australien im Daily Telegraph). Die Regierung des Landes will nicht viel wissen von den Folgen des Klimawandels. Mit den großen Bränden im Südosten erfolgt zumindest teilweises Umdenken in der Bevölkerung.

Trotzdem hält das Land an fossilen Energieträgern fest. Schlimmer: Die Indische Adani Group plant die bereits erschlossene Steinkohle Steinkohlemine „Carmichel“ auszubauen – Wachstum in einem Wirtschaftssektor, der unsere Lebensgrundlagen irreversibel vernichtet. Die Mine wird zu den größten der Welt zählen und Klimavorhaben, wie das Übereinkommen von Paris, mit dem 1,5-GradZiel vernichtend treffen.

Siemens for Profits – Fridays for Future

Beteiligt an dem Mega-Projekt, ist der deutsche Technologiekonzern Siemens. 18 Millionen Euro fließen, damit Siemens die Signalanlagen der Gleise bereitstellt. Ein internationaler Auftrag, mit Hauptgeschäftspater in Indien. Die Entscheidung, Teil dieses Megaprojektes zu sein, brachte Siemens scharfe Kritik ein. Fridays for Future (FFF) mobilisierte am Freitag, den 10. Januar in vielen deutschen Städten, unter anderem auch in Kiel (ca. 200 Teilnehmer*innen), zu Demonstrationen gegen Siemens und die verfehlte Klimapolitik des Konzerns. Siemens erklärte bis 2030 klimaneutral sein zu wollen. Jedoch wirft FFF Siemens perfides Greenwashing vor und liegt mit der Behauptung, dass die großen Konzerne keinerlei Interesse am Klimaschutz haben, goldrichtig.

Dabei sah es zu Beginn des Konfliktes zwischen Klimaaktivist*innen und Siemens noch so aus, als überlege man, den Auftrag zurückzunehmen. Siemens hätte zwar Vertragsbruch begangen und seine internationale Reputation aufs Spiel gesetzt, wäre jedoch eigenen Klimazielen nachgekommen. Die Rücknahme des Auftrages hätte den Bau der Kohlemine in Australien zumindest verzögert. Um die Sache noch grotesker zu gestalten, bot Siemens Chef Joe Kaeser der FFF-Aktivistin Luisa Neubauer einen Posten im Aufsichtsrat von Siemens Energy an. Mit dem Wissen, unter diesen Umständen nicht mehr frei Kritik äußern zu können, lehnte sie das ab. Am 12. Januar entschied Kaeser dann an den Verträgen festzuhalten.

FFF kündigte an, die Proteste fortlaufen zu lassen und verurteilte die Entscheidung von Kaeser, das Projekt weiter zu unterstützen, zutiefst. Wie bereits erwähnt, zeigen diese Ereignisse, dass große Firmen, wie schon immer, gewinnorientiert arbeiten und dabei der Blick auf Zukunft und Nachhaltigkeit wegfällt. Wo Profit lockt, wird Raubbau am Planeten billigend in Kauf genommen. Nachhaltig Handeln heißt Kohle und andere fossile Energieträger zu ersetzen: Unverzüglich und radikal! Konzerne, die sich nicht klimagerecht verhalten, müssen durch gesetzliche Bestimmungen gezwungen oder in fatalen Fällen enteignet werden. Uns fehlt die Zeit für Kompromisse.

Aufruf zur Demonstration von Fridays for Future Kiel via Facebook. https://www.facebook.com/fridaysforfuture.kiel
Weiterlesen:
1.Beitrag zur Doppelmoral von Siemens: https://www.neues-deutschland.de/artikel/1130477.siemens-klimaschaedliche-doppelmoral.html
2.Beitrag zu Protesten gegen die Entscheidung von Siemens: https://taz.de/Umstrittenes-Kohlefoerderprojekt/!5655402&s=Adani/

Primark eröffnet in Kiel nicht unwidersprochen

Seit dem 6.11.2019 gibt es in Kiel eine Primark-Filiale. Die Eröffnung und die folgenden Tage werden untermalt sein mit Protest gegen die Modekette. Verschiedene kleine Aktionsgruppen, Extinction Rebellion und die BUND-Jugend haben bereits Aktionen in der Kieler Innenstadt geplant oder durchgeführt.

Im April 2013 stürzte in Bangladesh ein neungeschössiges Fabrikgebäude ein und begrub über tausend Arbeiter*innen unter sich. Primark gehörte zu den Konzernen die in der Fabrik Rana Plaza produzieren ließen. Primark produziert unter menschen-unwürdigen Verhältnissen, die Kleidung hat eine fatale Ökobilanz und dann betreibt die Kette auch noch ein absolut perverses Greenwashing. Des Weiteren verfolgt Primark eine sogenannte fast-fashion Strategie. Das heißt: Kleidung wird quantitativ hergestellt, um sie eine Saison zu tragen und danach wegzuschmeißen. Mehr als genug Gründe, um Protest zu äußern. Doch sollte nicht vergessen werden, dass fast alle Textilkonzerne gleich oder ähnlich wie Primark produzieren, um dann ihre Produkte auch noch viel teurer zu verkaufen. Dass der Kauf von solchen Textilien kapitalistische Verwertungslogiken bestätigt und nicht gerade zu besseren Umständen führt, ist klar. Was in der Kritik oft ausgespart wird: Es gibt viele Menschen die sich keine qualitative und teure Kleidung leisten können. Denn Menschen leiden nicht nur Tausende Kilometer entfernt unter Ausbeutung und systematisch kapitalistischen Druck -auch hier in Europa. Beispielsweise schlecht bezahlte Lohnarbeit oder ALG II zwingen Menschen, billige Produkte zu kaufen.

Der Protest ist also meiner Meinung nach vollkommen legitim. Jedoch sollte er gegen alle Textilkonzerne, die Menschenrecht und Umwelt/Klima ihren Profiten, geführt werden. Gleichzeitig müssen wir gemeinsam Alternativen schaffen und nutzen. Kleine nachhaltige und faire Unternehmen supporten und einfach second-hand kaufen.

Termine

Silent Line #noPrimark der BUND-Jugend

Datum: 8.11.2019, 15 bis 17 Uhr / 16.11.2019, 12 bis 14 Uhr

Ort: Innenstadt, Kiel
Adresse: Holstenstraße 37, 24103 Kiel