Gedanken zu Corona in Kiel und der Welt

Wir lernen mit dem Virus

Nehmen wir an, aufgrund der aktuellen Lage würden dieses Jahr keine Kreuzfahrtschiffe in Kiel festmachen. Was würde das bedeuten, für die Förde, die Menschen in der Stadt Kiel und das Klima in Schleswig-Holstein?

Fakt ist, dass sich unsere Gesellschaft gerade fragt, was die letzten Jahre schiefgelaufen ist. Wenn wir jetzt auf einmal sehen, dass es auf der ganzen Welt möglich ist, Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Dass sich Ökosysteme, wenn wir Eingriffe in die Natur, die für uns so gewöhnlich wirken, dass wir sie gar nicht mehr mitbekommen, einstellen, auch in kurzer Zeit erholen können. Merken wir erst jetzt, nach Vorsorgemaßnahmen gegen das Corona-Virus, wie viel Raum die Menschheit der Natur abtrotzt!?

Die Doppelmoral der Klimaschutzstadt

Das gilt genauso hier in Kiel. Kiel ist nicht nur eine autofreundliche Stadt, hier legen im Sommer zudem täglich mehrere Kreuzfahrtschiffe an. Die Kreuzfahrt ist die wohl klimaschädlichste Art des Tourismus – das ist sicherlich vielen bekannt. Dass Kiel ein Feinstaubproblem hat, neue Kreuzfahrtterminals baut und sich trotzdem als Klimaschutzstadt bezeichnet, vielleicht nicht. Meiner Meinung nach total wiedersprüchlich.Kiel stellt zwar am Ostseekai Landstromanlagen bereit, doch zu wenige Schiffe sind mit der entsprechenden Technik ausgerüstet, um diese Anlagen auch nutzen zu können. Das heißt, die Motoren laufen die ganze Zeit während das Schiff im Hafen liegt.

Die aktuelle Lage lässt vermuten, dass dieses Jahr in Kiel die Kreuzfahrtsaison aufgrund des Virus ausfällt. Auf den Schiffen leben viele Menschen auf engstem Raum, so sind noch lange Einschränkungen für die Branche zu erwarten. Ist das der Fall würde die Stadt Kiel in den Sommermonaten einen deutlichen Rückgang der Feinstaubbelastung vermerken. Hat dieses Jahr folgen negative Folgen für die Branche, würde die Stadt überdenken neue Hotels für die ausbleibenden Zehntausenden Kreuzfahrer*innen zu bauen. Vielleicht richtet die Stadt den Blick nach innen und sieht die akute Wohnungsnot, die vielen Obdachlosen, den schlechten ÖPNV, die Berge voller Zumutungen und handelt mehr für ihre Bürgerinnen und nicht für Image und Touristen.

Durst nach Veränderung

Dass Corona an manchen Stellen einen positiven Einfluss auf das Klima hat, ist aber kein Grund zum Feiern. Sich über eine Pandemie, an der Zehntausende sterben, zu freuen, ist für mich unvorstellbar und absolut falsch. Was mich in diesen Tagen aber besonders beschäftigt, ist die Arbeit der Politik. Kaum zu glauben, die Corona-Krise mobilisiert die Politik zu zeigen, dass sie doch handlungsfähig ist. Das hat die Klimakrise nicht geschafft. Auch wenn wir erwarten können, dass die Verfehlung der Klimaziele die Menschheit, den Planeten und all seine Ökosysteme viel mehr an den Rand der Existenz drängen wird. In einem Maß, das wir vorher noch nicht erfahren haben. Wir müssen jetzt handeln! Klar liegt viel Verantwortung bei der Politik. Doch was haben wir davon, wenn, wie in den letzten Jahren, nichts passiert?

Wir können die Politiker*innen, Wirtschaftslobbyist*innen und andere Entscheidungsträger*innen anprangern und verurteilen, dass sie nichts getan haben. Das wird aber nichts an den Umständen, die uns umgeben, ändern. Es ist Zeit, selber Verantwortung für diese Gesellschaft zu übernehmen. An dieser Stelle müssen wir aufhören zu sagen: „Aber ich als einzelner Mensch kann doch nichts verändern.“ – Stimmt! Doch wer sagt, dass irgendjemand allein steht? Wir arbeiten doch an den gleichen Problemen und jeglicher Fortschritt beruht doch auf der Zusammenarbeit und Kooperation von vielen Individuen. Im Kapitalismus kämpft jede*r für sich allein und wir zermürben an Konkurrenz und Ausbeutung. Lasst uns anfangen, uns selbst als Teil eines großen Prozesses zu sehen. Ab diesem Punkt sind wir nicht mehr auf uns allein gestellt, wir können gemeinsam demonstrieren, bewegen und unsere gesellschaftliche und ökologische Verantwortung wahrnehmen. Jeder für sich, doch auch alle zusammen. Corona zeigt, dass wir es können, in vielen Städten ist die Hilfsbereitschaft für Menschen in akuter Not, wie zum Beispiel Obdachlosen, sehr gestiegen. Uns fällt auf wie wichtig die Kassierer*innen, Krankenpfleger*innen, usw. sind und wir sehen die Natur und Umwelt mit anderen Augen. Wir sehen was möglich ist und was noch getan werden muss.

 

Für mich sind Utopien nicht da, um nur in den Köpfen der Menschen, zu existieren, sie müssen gemeinsam erkämpft werden!