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Ursula von der Leyen, Julia Klöckner und ein Systemwechsel, der eigentlich keiner ist

Wer an Schleswig-Holstein denkt, dem kommen früher oder später Bilder von Kühen auf grünen Koppeln, Schafen auf dem Nordseedeich, aber auch langen Ställen für die Schweine- und Hühnermast sowie der allgegenwärtige Güllegeruch in den Sinn. Landwirtschaft ist aus unserer Kulturlandschaft nicht wegzudenken. Doch sie nimmt in Deutschland über die Hälfte der Landfläche in Anspruch, bei uns im Norden sind es sogar 68,7%. Gleichzeitig ist die landwirtschaftliche Nutzung einer der großen Faktoren, die zum Klimawandel und anderen ökologischen Problemen beitragen. Dass sich hier also etwas ändern muss, liegt eigentlich auf der Hand. Doch die EU drückt sich offensichtlich davor, im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik konkrete Maßnahmen zu schaffen.

Dabei wären gerade diese heute mehr als notwendig! Mit Landwirtschaft assoziieren viele die Sicherstellung unserer Nahrungsversorgung, doch dass dieser Wirtschaftszweig einen enormen Effekt auf das Klima hat, verdrängen wir noch viel zu oft.

In Deutschland sorgt die Landwirtschaft für 7,4% der Treibhausgasemission, in der gesamten Europäischen Union sind es über 10%. Landwirtschaftlich genutzte Fläche wird häufig intensiv bewirtschaftet. Um diese Fläche zu erweitern und mehr Profit machen zu können, werden Waldflächen abgeholzt und Moore trockengelegt. Dabei werden Kohlenstoffdioxid (CO2) und das 129-mal klimawirksamere Lachgas (N2O) freigesetzt. Der starke Einsatz von Düngemitteln und das Umpflügen von kohlenstoffreichem Grünland haben ebenfalls nicht gerade einen minimierenden Effekt auf die Klimabilanz der Landwirtschaft. Hinzu kommt selbstverständlich auch die Nutztierhaltung. Ganz abgesehen von den teilweise haarsträubenden Bedingungen der Massentierhaltung, sorgen Wiederkäuer wie Kühe oder Schafe für einen enormen Methanausstoß. Dieses Treibhausgas ist ebenfalls deutlich schädlicher als das bekanntere Kohlenstoffdioxid.

Deshalb ist es längst überfällig, diesen wunden Punkt im Kampf gegen die Klimakrise endlich anzugehen und zu verändern, damit unsere Nahrungsgrundlage auch im nächsten Jahrhundert bestehen kann. Das notwendige Werkzeug hierzu hat in erster Linie die Europäische Union. Leider verhält sich diese im Moment wie ein kleines Kind, das mit einem Plastikhammer auf Bauklötze aus Massivholz hämmert.

Die „Gemeinsame Agrarpolitik“ (GAP) scheint den Politiker*innen zwar so wichtig zu sein, dass jährlich rund ein Drittel des EU-Haushaltes in diesen Wirtschaftszweig fließt. Das sind insgesamt 387 Milliarden Euro. 387 Milliarden Euro, die den Landwirt*innen zu 75% als Direktzahlungen zur Verfügung stehen. Das mag auf den ersten Blick nach einer netten, unterstützenden Idee klingen, doch bei einem genaueren Blick auf die Verteilung der Direktzahlungen stellt sich zwangsläufig die Frage, wer hier das Gießkannenprinzip für die richtige Lösung hält.

Mit den sogenannten „Flächenpremien“ bekommen landwirtschaftliche Betriebe pro Hektar jährlich einen bestimmten Betrag (momentan 280 Euro), ohne dass sie dafür irgendetwas leisten müssen, was dem Umwelt- und Naturschutz zu Gute käme. Dass hierbei vor allem landwirtschaftliche Großbetriebe und nicht etwa kleine Höfe gefördert werden, liegt auf der Hand.

Als nach dem Beschluss des Europäischen „Green Deals“ die GAP-Reform angekündigt wurde, hofften Verfechter*innen der ökologischen Landwirtschaft, die im Gegensatz zum konventionellen Vorgehen eine deutlich geringere Klimabilanz hat, auf eine Neustrukturierung der Flächenprämien. Immerhin wurde der grüne Deal, der Europa in 30 Jahren zum ersten klimaneutralen Kontinent machen soll, von der derzeitigen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen als „Europas Mann-auf-dem-Mond-Moment“ bezeichnet. Was nun aber im Bezug auf die GAP-Reform folgte ist keinesfalls auf, sondern eher hinter dem Mond.

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner sprach stolz von einem „Systemwechsel“ und von einem „fundamentalen Schritt hin zu mehr Nachhaltigkeit, Fairness und Wettbewerbsgerechtigkeit“. Wo genau sich dieser Systemwechsel verstecken soll, ist ungefähr so durchsichtig wie ein Güllepott. Die Direktzahlungen sind weiterhin der Hauptanteil des verfügbaren Budgets. Bei einem „Systemwechsel“ wäre hier mindestens eine Koppelung mit bestimmten Umwelt- und Klimaschutzauflagen sinnvoll gewesen. Aber eine solche Hoffnung wäre wohl zu utopisch – und so bleibt alles wie es auch vor der Reform schon war. Landwirt*innen bekommen weiterhin ihre Fläche Land bezahlt, ganz unabhängig davon, was sie auf dieser Fläche tun und welche Auswirkungen das auf die Umwelt hat. Eine kleine Neuerung gibt es zwar, doch die sogenannten „Eco-Schemes“ sind so wenig effektiv und hilfreich zur Bekämpfung der Klimakrise, dass auch hier die Bezeichnung „Systemwechsel“ mehr als unangebracht ist. Konkret besagen die neuen Regelungen zwar, dass 20% der Direktzahlungen an Landwirt*innen gehen, die mit ihren Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen über die Mindestanforderungen hinausgehen. Landwirt*innen, die einfach nur viel Land besitzen und bewirtschaften werden genauso entlohnt wie solche, die große Mühen in die Klimabilanz ihres Hofes investieren. Hinzu kommt, dass der Inhalt der neuen Regelungen nicht einmal von der EU vorgegeben wird, sondern dass jeder Staat selbst darüber entscheiden kann. So fördert die Politik noch immer die Bewirtschaftsungsweisen in Monokultur, die nachweislich einen enorm großen Effekt auf das Artensterben hat. Dass dieses ab einem bestimmten Punkt auch für uns Menschen gefährlich wird, scheint wohl zu abstrakt zu sein. Wie mit diesem Vorgehen ein Anreiz für die Landwirtschaft geschaffen werden soll, die eigene Klimabilanz zu verbessern und die Treibhausgasemission zu verringern, ist und bleibt ein Rätsel.

Mit dieser „Reform“ wird nun noch immer eine Landwirtschaft gefördert, die gegen statt mit der Natur arbeitet und sie so Stück für Stück zerstört. Zwar will die EU den Ökolandbau bis 2030 auf insgesamt 25% der landwirtschaftlich genutzten Fläche steigern, jedoch ist dieses Ziel viel zu klein, um das Steuer herumzureißen – Ganz zu schweigen von den mangelnden Anreizen der GAP. Der Ökolandbau verzichtet u.a. auf Pestizide und mineralische Düngemittel und nutzt Zwischenfrüchte und Untersaaten, um Monokulturen zu vermeiden. Auch für die Tierhaltung gibt es hier deutlich strengere Regelungen, sodass durch extensive Tierwirtschaft der Ausstoß von Treibhausgasen begrenzt werden kann. In Deutschland werden aktuell rund 1,6 Millionen Hektar von circa 35.000 Höfen ökologisch bewirtschaftet. Das entspricht nur 10% der Gesamtmenge. Um die Klimaschädlichkeit der Landwirtschaft nachhaltig einzudämmen, muss der Anteil der ökologischen Landwirtschaft deutlich größer werden, und zwar besser heute als morgen. Warum jetzt also für eine zu diesem Zwecke völlig ungeeignete Reform der GAP gestimmt wird, ist ein Mysterium.

Viel nötiger als wahllos verteilte Flächenpremien wären für die Umwelt Direktzahlungen, die an konkrete Umwelt- und Klimaschutzauflagen geknüpft sind. Denn nur durch solche Anreize lässt sich die Landwirtschaft zu größeren Teilen umbauen, hin zu einer ursprünglicheren, nachhaltigeren Wirtschaftsweise. Aber ohne diesen Wandel bleibt ein entscheidender Punkt im Bezug auf den Kampf gegen die Klimakrise offen. Eins sollte jedoch klar sein: Wenn die Landwirtschaft nicht mitzieht, wird er Kampf gegen die Klimakrise um einiges härter, als er es jetzt ohnehin schon ist.

 

Link zur Inititive "Bauern und Bienen retten" https://www.savebeesandfarmers.eu/deu/